Lilly ist völlig reiz-überflutet. Sie weiß grade noch nicht so wirklich, wohin sie die Masse in diesem riesigen Kaufhaus treiben wird, aber scheinbar geht es den anderen genauso und sie werden in der Masse mitgespült. Eigentlich braucht sie noch ein Geschenk für ihren Opa, hat aber keinen blassen Schimmer, ob er sich über ein Buch freut oder sie doch eher zu den Schnapspralinen tendieren soll. Sie krallt sich an ihrem Becher Kaffee fest. Die Dame mit dem Pelz, der sie vorhin im völlig überfüllten Coffee-Shop ihren Latte übergegossen hat, war dafür, dass sie ziemlich viel BlingBling am Arm hatte, ziemlich entspannt. „Ach, gehen Sie, ich wollte sowieso einen neuen Nerz – Grund genug für meinen Mann, endlich mal die Kreditkarte zu zücken.“ Sie wollte noch nicht mal Lillys Visitenkarte. Was sollte Lilly dem noch hinzufügen? Ihr Zugticket in der Tasche, den Koffer im Bahnhof verstaut und der Zeiger ihrer Uhr wandert extrem direkt auf die Abfahrtzeit. Verdammt – dann kriegt er eben ein paar Pralinen. Die Schaffnerin wedelt schon mit ihrem Abfahrtszeichen in Richtung Zugführer, als Lilly in aller letzter Sekunde in den Zug springt. Mit einem vernichtenden Blick und einem mahnenden Spruch der Schaffnerin zieht, schleift und schleppt sie ihren Koffer durch den völlig überfüllten Zug, in das Großraumabteil, zu ihrem Platz. Der Typ neben ihr, mustert sie mit einem kritischen Blick. Er fragt sie, ob sie sich öfter auf der Toilette ihre Nase pudern müsste, sonst würde er gerne seinen Gangplatz gegen ihren Fensterplatz tauschen. Lilly entwickelt Hassgefühle – eigentlich sonst sehr entspannt, beharrt sie auf ihren Platz. Schlussendlich rennt der Typ gefühlt jede halbe Stunde auf´s Klo!? Egal – angekommen in ihrer alten Heimat, quetscht sie sich aus dem Wagon. Zuhause riecht es nach Zimt, Spekulatius und Glühwein. Lilly kümmert sich um den Baumschmuck. Aus der Küche hört sie lautstarke Diskussionen über das Essen und plötzlich kommt das Christkind. Die Herren der Familie scharren schon mit den Hufen, bis es endlich los geht mit der Bescherung. Wie die Kinder schwirren sie um den Baum – der Nachtisch muss warten. Opa ist glücklich mit den Schnapspralinen, isst alle auf einmal. Lilly bekommt das Bügelbrett, dass sie sich nie gewünscht hat und dann klingelt ihr Handy. Der Rocker ihres Herzens – ob er den neuen Nassrasierer bekommen hat, den er sich nie wünschte?